PrEval Fachtag 2023
Aktuelle Entwicklungen und Bedarfe in der deutschen Evaluationslandschaft
Anlässlich des PrEval-Fachtags 2023 wurden erste Handlungsempfehlungen aus unseren Zukunftswerkstätten und Pilotstudien formuliert
Am 30.11. und 01.12.2023 fand der diesjährige PrEval-Fachtag in Berlin statt. Das Verbundprojekt PrEval-Zukunftswerkstätten dankt allen, die vor Ort und per Livestream zusammengekommen sind, um sich mit uns über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Evaluation der Extremismusprävention, politischen Bildung und Demokratieförderung auszutauschen. Mit Vertreter*innen von Bundesinstitutionen und Landes- und Kommunalverwaltungen und der politischen Bildung sowie Expert*innen aus dem PrEval-Verbund wurde über die Zwischenergebnisse der einzelnen Zukunftswerkstätten und Pilotstudien diskutiert.
Tag 1: Evaluationsforschung in Deutschland und im internationalen Vergleich
Nach eröffnenden Grußworten durch Projektleiter Julian Junk vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) und Stefan Uecker vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) startete der Fachtag mit einem umfangreichen inhaltlichen Programm. Am ersten Tag erhielten die Teilnehmenden umfassende Einblicke in aktuelle Herausforderungen und Potenziale der deutschen wie auch internationalen Evaluationspraxis und wurden in zentrale Debatten der Evaluationsforschung eingeführt. Zudem wurden Entwicklungsprozesse von Evaluationsdesigns für spezifische Handlungskontexte diskutiert.
Andreas Uhl vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) stellte die weiterentwickelte PrEval-Plattform mit den neuesten Erkenntnissen aus der Online-Befragung vor, die kontinuierlich die Evaluationskapazitäten im Bereich der Extremismusprävention, Demokratieförderung und politischen Bildung in Deutschland visualisiert. Anschließend teilten Sophie Ebbecke (GPPi) und Lotta Rahlf (PRIF) ihre Forschungsergebnisse zur Evaluationspraxis im internationalen Vergleich und betonten die Potenziale des kontinuierlichen internationalen Austauschs und voneinander Lernens. Den Abschluss des ersten Programmpunktes bildeten die Autor*innen der PrEval-Expertisen, die das Publikum in unterschiedliche Diskurse der Evaluationsforschung mitnahmen. Während Jana Klemm und Rainer Strobl (proVal) für die Nutzung von Wirkungsmodellen im Rahmen von Evaluation plädierten, beleuchtete Hermann J. Abs (Uni Duisburg) Monitoring-Ansätze für die politische Bildung. Schließlich diskutierte Simon Müller (DeZIM) die Potenziale von Kausalanalysen für Evaluation.
Aus den vielfältigen Vorträgen unserer Wissenschaftler*innen gingen einige klare Empfehlungen für den Umgang mit Evaluation hervor: So sollte beispielsweise methodische Vielfalt anerkannt und die Nutzung gegenstandsangemessener Methoden sichergestellt werden. Darüber hinaus müssten Wirkungsfragen stets frühzeitig in die Projekt- und Programmplanung mit einbezogen werden, um zielgerichtet evaluieren zu können. Auch die Wichtigkeit systematischen Wissensaustauschs wurde mehrfach hervorgehoben. In einer offenen Runde diskutierten Teilnehmende und Expert*innen die Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Vorträgen und erörterten, wie z. B. die Idee des Wirkungsmodells zur Qualitätssicherung in der Extremismusprävention, politischen Bildung und Demokratieförderung in Deutschland angewendet werden kann.
Im zweiten Panel wurden erste Zwischenergebnisse aus zwei unserer Pilotstudien vorgestellt, die die zunehmende Digitalisierung der politischen Bildung in den Blick nehmen. Susanne Johansson (PRIF) und Andrea Prytula (DeZIM) referierten über methodische Herausforderungen in einer Studie zu digitalgestützter Evaluation in der politischen Bildung. Im Anschluss führte Marcus Kindlinger (Uni Duisburg) die Teilnehmenden in das Konzept der Digital Citizenship Education ein, anhand dessen Bildungsziele der digitalen politischen Bildung weiter ausdifferenziert, operationalisierbar und somit evaluierbar gemacht werden können. Darauf aufbauend wurde ein Schüler*innen-Fragebogen zum kritischen Umgang von Jugendlichen mit Inhalten im Netz vorgestellt, der im Rahmen einer PrEval-Pilotstudie an der Uni Duisburg entwickelt wurde.
Den Abschluss des ersten Tages bildete Svetla Koynova (VPN) und Juliane Kanitz (i-unito), die sich in einem kreativen Werkstattgespräch über evaluative Herausforderungen in der Sekundär- und Tertiärprävention austauschten, denen sie im Rahmen der PrEval-Pilotstudien begegnet sind. Im Fokus des Dialogformats standen unterschiedliche Zielvorstellungen und Rollenverständnisse von Sicherheitsbehörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren, Vertrauensfragen sowie der Umgang mit Kausalitätsbeziehungen in Kooperationskontexten.
Tag 2: Unterstützungsbedarfe und passgenaue Angebote
Der zweite Teil des Fachtags stand ganz im Zeichen der PrEval-Zukunftsstätten. Unsere Wissenschaftler*innen präsentierten konkrete, auf die Bedarfe der Fachpraxis zugeschnittene Unterstützungsformate, die im Rahmen unterschiedlichster Workshops im Projektjahr 2023 partizipativ entwickelt wurden. Auf dem Podium diskutierten und kommentierten Expert*innen aus Politik und Verwaltung sowie der Fachpraxis potenzielle Umsetzungspfade.
Lina Hartmann und Svetla Koynova (VPN) stellten fünf Prototypen mit dem Ziel des Austauschs und der Vernetzung vor, die an bestehende Wissensnetzwerke anknüpfen und verschiedene Stakeholder aus politischer Bildung, Demokratieförderung und Extremismusprävention miteinander in Kontakt bringen. Thematisiert wurden zum einen Kurzinterventionen wie Evaluationssprechstunden mit Expert*innen, Peer-to-Peer Austauschformate mit Erfahrungsberichten über Fremdevaluationen oder Workshops zur Selbstevaluation und zum anderen langfristige Formate wie eine maßnahmenspezifische In-House-Beratung für Praxisakteure sowie ein personenbezogenes DeGEval-Stipendium.
Anschließend berichteten Janusz Biene-Clément (i-unito) & Maximilian Ruf (VPN) über Unterstützungsbedarfe der Fachpraxis, die sich in den Erhebungen der Zukunftswerkstatt „Helpdesk“ herauskristallisierten. Auf Basis dieser Erkenntnisse stellten sie drei alternative Pfade vor, anhand derer niedrigschwellige Anlaufstellen für Evaluator*innen, Verwaltungs- oder Projektmitarbeitende realisiert werden könnten: Denkbar wären zum einen eine zentrale bzw. dezentrale Struktur oder aber die Ausschreibung eines bundesweiten Projektverbundes. Durch Expert*innenkommentare von Sarah Bressan (GPPi), Rüdiger José Hamm (BAG RelEx), Samir Čolić (Arbeit & Leben) und Carolin Scholz (Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen) entstanden wertvolle Dialoge über Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzbarkeit, spezifische Nutzungskontexte wie auch wichtige und erforderliche Rahmenbedingungen solcher Unterstützungsstrukturen.
Im Zentrum des letzten Panels stand die Frage nach Umsetzungsbedingungen einer Evaluationsdatenbank, die wertvolle Erfahrungswerte aus der Evaluationslandschaft bündelt und zugänglich macht, disziplinübergreifendes Lernen erleichtert und Forschungslücken identifiziert. Nach einer inhaltlichen Einleitung durch Lotta Rahlf (PRIF) moderierte Julian Junk (PRIF) eine anregende Podiumsdiskussion, in der Ulrike von Streit (Landes-Demokratiezentrum Baden-Württemberg), Janoš Klocke (DEXT-Fachstelle Kreis Offenbach) und Dirk Posenau (Transfer für Bildung e.V.) den Mehrwert einer Evaluationsdatenbank aus unterschiedlichen Perspektiven betonten. Auch ethische Bedenken etwa im Hinblick auf Sicherheitsfragen, die Gefahr politischer Instrumentalisierung von Evaluationsergebnissen sowie die Sorge um potenzielle Ressourcenkürzungen fanden in der Diskussion ihren Platz. Im Sinne des Lob des Scheiterns wurde stets dafür plädiert, gerade auch vermeintlich negative Evaluationsergebnisse zu veröffentlichen, um nachhaltige Lerneffekte zu generieren.
Ausblick in das Projektjahr 2024
Dank der breit gefächerten Expertise aller Teilnehmenden kamen spannende Dialoge zustande, die einen wertvollen Beitrag zur weiteren Arbeit der PrEval-Zukunftswerkstätten leisten. So ist etwa für den Jahresbeginn 2024 die Veröffentlichung der überarbeiteten Versionen unserer PrEval-Expertisen und der zugehörigen Policy Briefs geplant, die in Teilen bereits am Fachtag vorgestellt wurden. Auch ausführliche Forschungsberichte aus unseren Zukunftswerkstätten und weitere PrEval-Reporte werden im Laufe des Jahres auf unserer Website publiziert.
Alle Interessierten sind weiterhin herzlich eingeladen, bei PrEval mitzuwirken. Wir freuen uns wie immer über Ihren Input!